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Steuerlicher Grenzfall – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Gewinnverlagerung

Steuerlicher Grenzfall

Auch kleinere Firmen sind heute international aktiv und rechnen Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend ab. Soweit dieser Leistungsaustausch zwischen Gesellschaften eines Konzerns erfolgt, können Gewinne in niedrigbesteuerte Länder verlagert werden. tatort:steuern erklärt, wie sich dadurch das Prüfverhalten der Finanzverwaltung verändert hat.

In den letzten Jahren ist die internationale Steuergestaltung immer mehr in die Kritik geraten. Großunternehmen verlagern dabei Gewinne vom Staat, in dem die operative Tätigkeit stattfindet, in Länder, die einen minimalen oder gar keinen Steuersatz haben. Hierdurch entgehen den Staaten, in denen die Wertschöpfung stattfindet, Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Bekannteste Beispiele sind Apple, Google, Starbucks und Amazon, die als Global Player agieren und die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf internationaler Ebene bis auf das Maximale ausreizen. Die Politik versucht seit Jahren, derartige Praktiken durch gezielte Gesetzgebung einzuschränken oder zu verhindern. Zahlreiche sehr komplexe Regelungen in unterschiedlichen Gesetzen stehen damit im Fokus der Betriebsprüfung. Das Finanzamt entsendet spezialisierte Fachprüfer, die sich vorrangig mit den folgenden Themen beschäftigen:

Lizenzen

Durch die Gründung von Lizenz- und Finanzierungsgesellschaften im Ausland werden Steuervorteile generiert. Grund: Einige Staaten haben steuerliche Begünstigungen für Erträge aus der Überlassung von Patenten, Lizenzen und anderen immateriellen Wirtschaftsgütern eingeführt. Diese sogenannten IP- oder Lizenzboxen führen dazu, dass der erzielte inländische Gewinn durch entsprechende Lizenzgebühren gemindert und damit nicht vollständig in Deutschland besteuert wird. Auch innerhalb Europas gewähren zahlreiche Länder Steuerbegünstigungen für Lizenzboxen, zum Beispiel Niederlande, Zypern, Malta oder Irland. Hierdurch entsteht ein intensiver Steuerwettbewerb zwischen den einzelnen Staaten. Deutschland hat bisher keine Lizenzbox eingeführt.

Auf die reduzierte Besteuerung von Lizenzerträgen in anderen Ländern hat Deutschland mit der Einführung einer – allerdings verfassungs- und europarechtlich bedenklichen – Lizenzschranke reagiert. Damit soll die steuerliche Abzugsfähigkeit von Lizenzaufwendungen in Abhängigkeit von der Besteuerung im Empfängerland eingeschränkt werden.

Darlehen

Geld ist als Finanzmittel sehr flexibel und kann mit geringem Aufwand verschoben werden. Durch eine gezielte Anpassung der Fremdkapitalstrukturen lassen sich Steuervorteile erzielen. So vergeben Konzerne beispielsweise interne Darlehen an Tochtergesellschaften, die in Ländern mit hohem Steuersatz sitzen. Auch hier hat der Gesetzgeber eine sogenannte Zinsschranke in das Gesetz aufgenommen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen als Betriebsausgabe soll damit eingeschränkt werden und so entsprechende Modelle unattraktiv machen.

Unter bestimmten weiteren Voraussetzungen kommt es allerdings ohnehin zur Besteuerung von Einkünften einer ausländischen Tochtergesellschaft beim inländischen Gesellschafter. Diese sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung soll verhindern, dass unbeschränkt Steuerpflichtige ihre ausländischen Einkünfte auf eine steuerrechtsfähige Gesellschaft, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union (EU) in einem Niedrigsteuerland hat und im Inland nicht steuerpflichtig ist, übertragen und dadurch Steuervorteile erzielen. Dies gilt jedoch nur, wenn die ausländische Gesellschaft durch Inländer beherrscht wird und soweit sie selbst nicht aktiv tätig ist. Auf europäischer Ebene wurden indessen die in der Öffentlichkeit als ATAD (Anti-Tax Avoidance Directive) bekannten Richtlinien erlassen. Diese verpflichten die Mitgliedsstaaten der EU zur Umsetzung der OECD-Vorschläge zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken und entfalten daher grundsätzlich Wirkung zulasten der Steuerpflichtigen.

Verrechnungspreise

Als Verrechnungspreis wird in der Kosten- und Leistungsrechnung derjenige Preis bezeichnet, der zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens oder zwischen verschiedenen Gesellschaften eines Konzerns für innerbetrieblich ausgetauschte Güter und Dienstleistungen (zum Beispiel Warenlieferungen, Lizenzen, Darlehen) verrechnet wird. Dabei besteht die Besonderheit darin, dass sie sich nicht auf einem Markt durch das Kräftespiel zwischen Angebot und Nachfrage bilden. Ökonomische Bedeutung erlangen Verrechnungspreise auch und insbesondere durch ihre steuerlichen Auswirkungen. Denn: In einem Konzern lassen sich über Verrechnungspreise Gewinne zwischen mehreren juristisch selbstständigen Gesellschaften im Konzernverbund verschieben. Sind die beiden Bereiche von unterschiedlicher Rechtsform oder liegt der Sitz in Gebieten mit unterschiedlicher Steuerbelastung, wird man den Verrechnungspreis so wählen, dass der größte Gewinn bei der Gesellschaft mit der geringsten Steuerbelastung entsteht. Die wirtschaftliche Bedeutung der Steuerminimierungsfunktion wird deutlich, wenn man bedenkt, dass nach Schätzungen der OECD mehr als 60 Prozent des Welthandels über konzerninterne Transaktionen abgewickelt werden. Es verwundert also nicht, dass für die Anerkennung von Verrechnungspreisen durch nationale und internationale Steuervorschriften Grenzen gesetzt sind. Der Betriebsprüfer wird diesem Thema erhöhte Aufmerksamkeit schenken und primär das Steueraufkommen des eigenen Staates im Blick haben. Sofern die beteiligten Finanzbehörden unterschiedliche Korrekturen vornehmen, besteht die Gefahr einer Doppelbesteuerung. Für Art und Inhalt der Geschäftsbeziehungen mit Auslandsbezug existiert eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht. Die Finanzverwaltung soll durch die Dokumentation in die Lage versetzt werden, ein zutreffendes Verständnis der wesentlichen Geschäftsvorfälle, Geschäftsbeziehungen oder Transaktionsarten sowie für die Art und Weise der Verrechnungspreisfestsetzung gewinnen zu können. Die Dokumentationsverpflichtungen beziehen sich sowohl auf den Sachverhalt als auch auf die Angemessenheit. Im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse geht es dabei im Wesentlichen um vereinbarte Vertragsbedingungen mit nahestehenden Personen, Marktverhältnisse und die Entwicklung des Wettbewerbs. Bei den Verrechnungspreisen selbst sind die Methode und deren Anwendung sowie Unterlagen über die Berechnung zu dokumentieren. Die Vorlage dieser Aufzeichnungen soll in der Regel im Rahmen einer Betriebsprüfung erfolgen. Die Frist hierfür beträgt 60 Tage. Von dieser Dokumentationspflicht betroffene Unternehmen sollten daher bereits frühzeitig ein umfassendes Dokumentations- und Archivierungssystem einrichten. Die gesetzlichen Sanktionen bei Nichtvorlage oder verspäteter Abgabe können erheblich sein.

Betriebsstätte

Der Betriebsprüfer wird sich in bestimmten Konstellationen auch kritisch mit der Frage auseinandersetzen, ob ein ausländisches Unternehmen möglicherweise über eine inländische Betriebsstätte verfügt, für die Deutschland ein Besteuerungsrecht hat. Bei ausländischen Betriebsstätten wird geprüft, ob die Gewinnabgrenzung korrekt vorgenommen wurde. Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann durch einen im Ausland ansässigen Geschäftsführer einer inländischen Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen eine ausländische Betriebsstätte entstehen. Die Thematik ist insgesamt streitanfällig und sollte frühzeitig in enger Abstimmung mit dem Steuerberater geklärt werden. In der EU wird aktuell ein Richtlinienvorschlag zur Einführung einer digitalen Betriebsstätte diskutiert.

Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen

Durch ein neues Gesetz soll künftig eine Mitteilungspflicht für bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen eingeführt werden. Die entsprechenden Informationen sollen außerdem zwischen den Mitgliedstaaten der EU ausgetauscht werden. Dies soll die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerungen zeitnah zu identifizieren und ungewollte Gestaltungsspielräume durch Schaffung oder Änderung von entsprechenden Rechtsvorschriften zu schließen. Zugleich sollen aber auch die Reaktionsmöglichkeiten der Finanzbehörden in den Mitgliedstaaten verbessert werden. Das Gesetz ist stark umstritten.

Fazit Unternehmen und Gesellschafter mit internationalen Rechtsbeziehungen müssen erhöhte Anzeige-, Informations- und Dokumentationspflichten beachten. Der Betriebsprüfer wird sich alle Verträge mit rechtlicher Wirkung ins Ausland zeigen lassen, die gesellschaftsrechtlichen Strukturen prüfen und eine Verrechnungspreisdokumentation anfordern. Künftig werden grenzüberschreitende Steuergestaltungen bereits vor Umsetzung beim Finanzamt anzuzeigen sein.

Foto: Oliver Boehmer – bluedesign®