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Im Dienste des Fiskus? – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Brennpunkt

Im Dienste des Fiskus?

Für diejenigen, die Monat für Monat und Jahr für Jahr ehrlich ihre Steuern zahlen, ist es schwer zu ertragen, wenn andere genau das nicht tun – manchmal sogar im großen Stil Betrug an der Allgemeinheit verüben. Mitunter ist es strafrechtlich aber gar nicht so einfach, zu fassen, was geahndet werden kann. Ein Beispiel sind die Cum-Ex-Geschäfte.

Möglich wurde die strafrechtliche Bearbeitung dieser Fälle erst durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Juli 2021. Durchgeführt wurden die Deals vorwiegend aber bereits in den Jahren 2006 bis 2011. Dabei wurden große Aktienpakete mit und ohne Dividendenanspruch in schneller Folge hin- und hergeschoben, um sich nach den undurchsichtigen Transaktionen Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, die zuvor nie gezahlt wurde. Medienberichten zufolge könnte der Schaden in Deutschland im Milliardenbereich liegen.

Die Geschäftemacher glaubten angeblich, eine Gesetzeslücke genutzt zu haben. Der BGH ist aber anderer Meinung und sieht gar eine Straftat in den Transaktionen.

Fast zeitgleich zur juristischen Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte ging in Deutschland das erste Portal zur Meldung von Steuerbetrug online. Das Finanzministerium Baden-Württemberg verlieh Ende August 2021 der Bekämpfung von Steuerhinterziehung eine neue Dimension. Die schon lange praktizierte Form von anonymen Anzeigen bei der Finanzverwaltung und der umfangreiche Datenankauf der Bundesländer wurden durch ein „anonymes Hinweisgeberportal“ im Internet erweitert.

Die Einführung dieses anonymen Hinweisgebersystems für die Steuerverwaltung ist als Maßnahme des Projekts „Finanzamt der Zukunft“ (FiZ) zu verstehen. Die Finanzverwaltung geht in einem Statement davon aus, „Steuerbetrug so besser verfolgen und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen zu können“. Außerdem bringe man auf diese Weise die Digitalisierung voran und ermögliche eine einfache Kommunikation zwischen Steuerverwaltung und Bürgerinnen und Bürgern.

»Vielen ist der Unterschied zwischen moralisch richtiger Denunziation (der Verbrecher) und fragwürdiger Denunziation (die Kollegin, die heimlich geraucht hat) irgendwie klar. Wir alle wären einander potenzielle Geheimagenten. Ich will Steuersünder nicht reinwaschen, aber die Jagd auf sie sollte Behörden überlassen werden und nicht einer Art Bürgermiliz. Vollblutdenunzianten melden sich sowieso.«
Harald Martenstein, Journalist und Schriftsteller, im »ZEITmagazin« Nr. 44 vom 28.10.2021

Die mit der Einführung des Portals verbundene Hoffnung, dass mehr Anzeigen erfasst werden und dadurch auch die Zahl steuerrechtlicher Ermittlungsverfahren steigen würde, hat sich bislang nicht erfüllt. Eine in diesem Zusammenhang veröffentlichte Statistik des Landes Baden-Württemberg geht davon aus, dass aus den 2.608 über das Portal eingegangenen Anzeigen genau 23 Steuerstrafverfahren eingeleitet wurden. Das ist nur ein knappes Prozent. Bei den im gleichen Zeitraum außerhalb des Portals eingegangenen 402 Anzeigen wurden ebenfalls 23 Steuerstrafverfahren eingeleitet. Das sind immerhin sieben Prozent. Die „Erfolgsquote“ aus Sicht der Finanzverwaltung ist also (noch) ungleich schlechter.

Vielleicht ist es aus diesem Grund ruhig um das Meldeportal geworden. Es kann aber auch daran liegen, dass die Mehrzahl der Bevölkerung – laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach – die Einführung einer solchen Plattform ablehnt (58 Prozent), wohingegen sie nur knapp jeder vierte Befragte begrüßt (23 Prozent).

Es bleibt abzuwarten, für welche Zwecke als Nächstes sogenannte „Meldeportale“ eingeführt werden. Etwa genauso viel Rechtsunsicherheit wie bei den Cum-Ex-Geschäften herrscht in weiten Teilen bei den Corona-Hilfsmaßnahmen. Generell wird in solchen Fällen immer die Kernfrage zu stellen sein: Wenn schon höchstrichterliche Urteile so langwierig und schwierig sind, können wir dann davon ausgehen, dass jeder Bürger in der Lage ist, zu beurteilen, was dem Portal als Betrug gemeldet werden kann?

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