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Goodbye Deutschland: Das Finanzamt kassiert ab – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Wegzugsbesteuerung

Goodbye Deutschland: Das Finanzamt kassiert ab

Wer aus Deutschland wegzieht und Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält, kann eine böse Überraschung erleben: Der Fiskus darf auf die Wertsteigerung der Beteiligung Einkommensteuer verhängen. tatort:steuern erklärt, wen es treffen kann und welche Möglichkeiten Unternehmer in diesem Fall haben.

Sie ist nur wenigen bekannt, doch sie hat es in sich: Eine Vorschrift des Außensteuergesetzes kann bei der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes extrem unangenehme Folgen haben. Denn gemäß dieser Paragrafen wird für natürliche Personen, die auswandern und Anteile an Kapitalgesellschaften besitzen, die Veräußerung der Beteiligung vom Finanzamt fingiert. Ergibt sich dabei, dass zum Beispiel GmbH-Anteile eine Wertsteigerung erfahren haben, werden diese noch schnell in Deutschland besteuert – bevor die unbeschränkte Steuerpflicht hierzulande endet. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige zuvor in Deutschland mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und zu mindestens einem Prozent beteiligt ist.

Beispiel A wohnt in Deutschland und ist seit Jahrzehnten zu 50 Prozent an einer deutschen GmbH beteiligt. Die Anteile, die er für eine Million Euro erworben hatte, sind aktuell elf Millionen Euro wert. Würde er diesen Anteil jetzt verkaufen, müsste er den Veräußerungsgewinn von zehn Millionen Euro versteuern. Steuerlich erfasst würden davon 60 Prozent, also sechs Millionen Euro, im Rahmen des sogenannten Teileinkünfteverfahrens. A müsste eine Einkommensteuer von rund 2,5 Millionen Euro an das Finanzamt abführen. Falls A unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes ins Ausland verzieht, entsteht die Steuer in gleicher Höhe auch ohne Verkauf. Selbst die Beibehaltung einer inländischen Wohnung nützt A nichts, falls sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ins Ausland verlagert.

Reform aus dem Jahr 1972

Motiv für die Einführung dieser sogenannten Wegzugsbesteuerung im Jahr 1972 war die Sicherung einer gleichmäßigen Besteuerung von natürlichen Personen, die jahrelang in Deutschland lebten und bei denen sich der deutsche Besteuerungszugriff durch den Wegzug dramatisch zu verringern drohte. Hintergrund: Anders als bei Personengesellschaften darf Deutschland im Regelfall mit dem Wegzug Wertzuwächse von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht mehr besteuern. Nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen hat der (neue) Ansässigkeitsstaat fortan das Besteuerungsrecht.
Das unternehmerische Lebenswerk steckt nicht selten in Anteilen an Kapitalgesellschaften, sodass oft über Jahre betrieblicher Tätigkeit im Inland ganz erhebliche Werte geschaffen wurden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „stillen Reserven“. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Fiskus die inländische steuerliche Erfassung absichern wollte. Auch zahlreiche andere Länder haben inzwischen vergleichbare gesetzliche Regelungen.

Wegzugsteuer ohne Wegzug

Weitere „Auffangtatbestände“ heizen die Brisanz der Vorschrift an. So führt ein Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Veräußerungsgewinns sogar ohne Wegzug zur Besteuerung des Vermögenszuwachses. Dies kann beispielsweise bei Neuabschluss oder Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen der Fall sein.

Beispiel 1 A ist an einer spanischen Kapitalgesellschaft beteiligt, deren Betriebsvermögen überwiegend aus Immobilien besteht. In dem seit 1. Januar 2013 geltenden neuen Doppelbesteuerungsabkommen wurde im Veräußerungsfall – anders als bisher – auch Spanien ein Besteuerungsrecht eingeräumt. Folge: Der bis dahin entstandene Vermögenszuwachs unterliegt zum 1. Januar 2013 der deutschen Einkommensteuer. A muss auf den fiktiven Wertzuwachs seiner Beteiligung in Deutschland Einkommensteuer zahlen, obwohl er sie weder verkauft hat noch aus Deutschland weggezogen ist.

Beispiel 2 A ist Alleingesellschafter der deutschen A-GmbH. Er stirbt. Seine beiden Kinder sind zu gleichen Teilen Erben. Der Sohn lebt in Deutschland, die Tochter in den USA. Folge: Soweit die Beteiligung der Tochter zuzurechnen ist, sind die stillen Reserven sofort zu versteuern.In allen Fällen besteht ein großes Problem: Es wird Einkommensteuer fällig, ohne dass zuvor Liquidität zugeflossen ist. Nicht verwunderlich, dass die Wegzugsbesteuerung seit Jahren in der Kritik steht und immer wieder Gegenstand finanzgerichtlicher Auseinandersetzungen ist.

Möglichkeit der Stundung

Da die Regelung auch vor dem Hintergrund europäischer Freizügigkeitsrechte problematisch ist, hat der Gesetzgeber bei Wegzug in ein Land der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums eine Stundung der Einkommensteuer bis zum tatsächlichen Verkauf der Anteile in das Gesetz aufgenommen. Zudem kommt unter weiteren Voraussetzungen eine Stundung bei erheblicher Härte oder bei nur vorübergehender Abwesenheit in Betracht.

UMZUG VON WIRTSCHAFTSGÜTERN

Soweit auch bei anderen Wirtschaftsgütern das Besteuerungsrecht Deutschlands durch Überführung ins Ausland eingeschränkt wird, kommt es ebenfalls zu einer Besteuerung des aufgelaufenen Wertzuwachses.

Beispiel A überführt eine Maschine in die ausländische Betriebsstätte seines Unternehmens. Die Maschine wurde für eine Million Euro angeschafft und zwischenzeitlich abgeschrieben auf einen Buchwert von 200.000 Euro. Der tatsächliche Wert beträgt im Zeitpunkt der Überführung 500.000 Euro. Das Besteuerungsrecht im Falle eines Verkaufs der Maschine steht fortan nach dem Doppelbesteuerungsabkommen dem Betriebsstättenstaat zu. Folge: A muss im Zeitpunkt der Überführung 300.000 Euro der Einkommensteuer unterwerfen.

Eine Sonderregelung im Einkommensteuergesetz ermöglicht bei Überführung von Wirtschaftsgütern in einen anderen EU-Staat auf Antrag die Verteilung des zu versteuernden Betrages durch Bildung Ausgleichspostens auf fünf Jahre.

Tipp Soweit möglich, gilt es durch rechtzeitige Gestaltung, die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden – beispielsweise durch Umwandlung in eine Personengesellschaft vor dem Wegzug. Zahlreiche weitere Aspekte sind ebenfalls zu beachten, zum Beispiel bei Verlustsituationen, Rückumzug oder Sonderregelungen durch den Brexit. Die enge Zusammenarbeit mit dem Steuerberater ist in jedem Fall unabdingbar.

Übrigens Die gleichen Rechtsfolgen wie bei einem Wegzug des Anteilseigners ergeben sich, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung in einen anderen Staat verlegt und dadurch das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile eingeschränkt wird.