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Wer soll’s machen? – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Brennpunkt

Wer soll’s machen?

Der Klimaschutz bewegt uns. Maßnahmen, mit denen die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad begrenzt wird, spielen in den Planungen der neuen Bundesregierung eine große Rolle. Zum Beispiel müssen in einem gewaltigen Ausmaß Fotovoltaik- und Windkraftanlagen aufgebaut werden. Da wir aber schon jetzt mehr und mehr mit Extremwetterlagen zu kämpfen haben, werden wir auch mit der Klimaanpassung schwer beschäftigt sein. Sturm- und Starkregen-Schäden müssen behoben werden. Zudem müssen wir Städte umbauen, um die Folgen weiterer Katastrophen gering zu halten. Auch für eine Verbesserung der mangelhaften Infrastruktur – zum Beispiel notwendige Warn- und Schutzmaßnahmen – müssen wir sorgen.

Dafür brauchen wir unter anderem viele Handwerker und Ingenieure. Aber haben wir die? Wohl jeder hat schon einmal zu spüren bekommen, dass es schwerer wird, einen schnellen Termin für Reparaturen zu bekommen.

Was passiert, wenn keine Fachkräfte mehr da sind, hat uns der Mangel an Lkw-Fahrern in England vor Augen geführt. Lieferketten brechen zusammen mit fatalen Folgen für die Versorgung der Bevölkerung. Auch in Deutschland haben wir schon jetzt Engpässe – wenngleich noch nicht so dramatisch. Nach den Lockdowns müssen etliche Restaurants früher schließen oder zusätzliche Ruhetage einführen, weil sie für einigen Schichten keine Servicekräfte haben. In Krankenhäusern werden Intensivbetten stillgelegt, weil Pflegepersonal fehlt.

Ein Ausweg ist Migration. Aber Jahr für Jahr Hunderttausende Einwanderer zu integrieren, ist auch nicht einfach. Als ein weiterer Lösungsansatz gilt die Digitalisierung. Autonom fahrende Lkws könnten den Fahrermangel beheben. Roboter sind in der Lage, Getränke an die Tische der Cafés zu bringen. Aber auch für die digitale Transformation unserer Gesellschaft brauchen wir Arbeitskräfte, und zwar gut ausgebildete. Schon heute können in Deutschland fast 100.000 IT-Stellen nicht besetzt werden. Bis zum Jahr 2030 wird diese Zahl Prognosen zufolge auf 1,1 Millionen hochschnellen. Viele Digitalisierungspläne drohen an nicht vorhandenem Personal zu zerplatzen.

Und so stellt sich die Frage: Wer soll’s machen? Bundesweit werden 1,2 Millionen Arbeitskräfte gesucht. Das ist bitter für viele Arbeitgeber, aber nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn die geburtenstarken Jahrgänge tatsächlich in den Ruhestand wechseln. Wir trösten uns damit, dass Deutschland doch ein so reiches Industrieland ist. Doch bei 2,2 Billionen Euro Staatsschulden ist es eben nicht so, dass wir viel Geld auf der hohen Kante haben und einfach alles bezahlen können. Unser „Reichtum“ liegt in der Tüchtigkeit unserer Industrien, in dem, was in den Köpfen der Facharbeiter und Ingenieure in Jahrzehnten abgespeichert wurde. Aber sind genügend junge Menschen da, die dieses Erbe antreten?

Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es bereits 70 Berufe, in denen Personalengpässe registriert werden. Spitzenplätze nehmen hier besonders soziale und Pflegeberufe ein. Einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge sind hier aktuell 52.890 Stellen unbesetzt.

Was ist zu tun? Patentrezepte gegen den demografischen Wandel haben auch wir nicht. Aber einen Gedanken wollen wir an dieser Stelle nicht für uns behalten: Wie viel Bürokratie können und wollen wir uns eigentlich leisten angesichts der knappen personellen Ressourcen? Nahezu alle Branchen sind in den zurückliegenden Jahren immer stärker von der Regulierungswut der Verwaltung gebeutelt worden. Als Volkswirtschaft, die vor einigen Mega-Herausforderungen steht und mit Fachkräftelücken zu kämpfen hat, müssen wir uns auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren. Wir beobachten bei unseren Mandanten, aber auch bei uns selbst, wie viele Kapazitäten für die Erfordernisse der Bürokratie draufgehen. Das können wir uns eigentlich nicht mehr leisten.

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