Wachstumschancengesetz
Von der Demontage eines Gesetzentwurfs
Mit dem Wachstumschancengesetz will die Bundesregierung Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität und Innovationsfähigkeit der Unternehmen ergreifen. Darüber, wie das gelingen kann, ist der Gesetzgeber vielfach uneins. tatort:steuern berichtet über den bei Redaktionsschluss bekannten Stand der geplanten Reformen oder über das, was von den Plänen übrig geblieben ist.
Diesmal soll es um einiges gehen: Mit dem „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ – kurz: Wachstumschancengesetz – hat die Bundesregierung auf die schwächelnde Konjunktur reagiert und möchte starke Impulse zur Belebung der Wirtschaftskraft setzen. Das Regelwerk enthält umfangreiche Änderungen, die sämtliche Bereiche des Steuerrechts berühren und teilweise von erheblicher Tragweite sind. Der von der Bundesregierung im Sommer eingebrachte Gesetzentwurf wurde inzwischen mehrfach angepasst. Es zeichnet sich ab, dass das Gesetz aufgrund umfassender Einwendungen des Finanzausschusses des Bundesrats weitere Änderungen erfahren wird. Es bleibt zu hoffen, dass sich am Ende tatsächlich Wachstumschancen ergeben werden, und zwar nicht (nur) für das Steueraufkommen.
Was betrifft ALLE Steuerpflichtigen?
Bürokratiemonster beseitigt?
Keine Besteuerung der sogenannten Gaspreisbremse (Dezemberhilfe 2022)
In Ausgabe 02 2023 hatten wir ausführlich über die Steuerpflicht der sogenannten Gaspreisbremse berichtet. Von dieser mit enormer Bürokratie verbundenen Besteuerung wird nun vollständig abgesehen, die bereits im Einkommensteuergesetz enthaltenen Regelungen werden ersatzlos aufgehoben.
46 Prozent in zehn Jahren
Neue höhere Abschreibung für Wohnungsneubau
Zur Ankurbelung des Wohnungsbaus ist die Einführung einer degressiven Abschreibung vorgesehen. Für zu Wohnzwecken dienende Neubauten kann die Abschreibung künftig in fallenden Jahresbeträgen erfolgen, wenn der Steuerpflichtige diese selbst herstellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung anschafft. Die Abschreibung beträgt sechs Prozent vom jeweiligen Buchwert (Restwert). In den ersten zehn Jahren wirken sich damit rund 46 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes steuermindernd aus. Nach dem Gesetzentwurf gilt die Regelung für Objekte, für die mit der Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird oder deren Anschaffung aufgrund eines in diesem Zeitraum rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags erfolgt.
Was betrifft Unternehmer?
Höher und schneller abschreiben!
Verbesserungen bei den GWG
Wenn die Anschaffungskosten 800 Euro nicht überschreiten, können geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) sofort abgesetzt werden. Diese Grenze soll ab 2024 auf 1.000 Euro angehoben werden. Der Bundesrat fordert sogar eine Anhebung auf 2.000 Euro.
Die Erhöhung könnte nach Einwendungen des Bundesrats mit der Abschaffung der sogenannten Poolabschreibung für bestimmte Wirtschaftsgüter einhergehen. Im ursprünglichen Gesetzentwurf war noch eine deutliche Ausweitung der Poolabschreibung auf Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten von 1.000 Euro bis 5.000 Euro unter Herabsetzung der Abschreibungsdauer von fünf auf drei Jahre vorgesehen.
Für die Anschaffung und Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern ist die erneut befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung geplant. Diese Form der Absetzung mittels jährlich fallender Abschreibungsbeträge war zum 31. Dezember 2022 ausgelaufen. Gewerbetreibende und Freiberufler, deren Gewinn nicht mehr als 200.000 Euro beträgt, können für die Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern zusätzlich zur normalen Abschreibung eine Sonderabschreibung von 20 Prozent geltend machen. Diese Sonderabschreibung soll sich für nach dem 31. Dezember 2023 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter von 20 auf 50 Prozent erhöhen.
Steuerbegünstigung für Personenunternehmen
Verbesserung bei der Besteuerung nicht entnommener Gewinne
Bilanzierende Personenunternehmen können unter bestimmten Voraussetzungen und auf Antrag nicht entnommene Gewinne mit einem Steuersatz von 28,25 Prozent besteuern lassen. Die Regelung dient der Stärkung des Eigenkapitals und Schaffung von Liquidität zur Umsetzung betrieblicher Investitionen. Eine Nachversteuerung erfolgt erst bei späteren Überentnahmen. Im Zuge einer Neufassung wird die Vorschrift verbessert werden, unter anderem durch Erhöhung des begünstigungsfähigen Gewinns um die gezahlte Gewerbesteuer und diejenigen Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer entnommen werden, sowie ab 2025 durch Festsetzung eines nachversteuerungsfreien Entnahmevolumens. Zudem kann die Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne künftig bereits im Vorauszahlungsverfahren berücksichtigt werden.
Verluste schneller und besser nutzen?!
Wie gewonnen, so zerronnen
Der Gesetzentwurf sah umfangreiche Verbesserungen bei der Verlustnutzung vor, die allerdings aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf den Haushalt kurze Zeit später schon wieder eingeschränkt wurden. So sollte der Verlustrücktrag auf drei Jahre erweitert und die betragsmäßige Obergrenze erhöht werden. Geplant war zudem eine Verbesserung beim Verlustvortrag im Rahmen der sogenannten Mindestbesteuerung durch eine erhöhte Nutzung der über den Grenzbetrag von einer Million Euro hinausgehenden Verluste. In seiner Beschlussdrucksache vom 20. Oktober 2023 hat der Bundesrat die Erleichterungen der Verlustverrechnung komplett verworfen, sodass unklar ist, was zu diesem Punkt vom Gesetzentwurf letztlich übrig bleibt.
Umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung
Anhebung der Grenzen
Auf Antrag kann die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet und abgeführt werden (sogenannte Ist-Versteuerung). Dies führt zu einem Liquiditätsvorteil der Unternehmen, die im Regelfall die Umsatzsteuer bereits bei erbrachter Leistung (Rechnungslegung) schulden. Die Umsatzgrenze, bis zu der ein Antrag auf Ist-Versteuerung gestellt werden kann, wird auf 800.000 Euro angehoben (bisher: 600.000 Euro).
Grenzüberschreitende Steuervermeidung?
Zinsschranke öffnete sich nur kurz
Kurze Hoffnung gab es für die sogenannte Zinsschranke. Nach dieser Regelung wird der steuerliche Betriebsausgabenabzug von Zinsen unter Bezug auf das EBITDA und weiteren Voraussetzungen versagt. Die Zinsabzugsbeschränkung greift nicht, wenn der Nettozinsaufwand weniger als drei Millionen Euro beträgt. Diese Freigrenze sollte in einen Freibetrag umgewandelt werden. Auch dieses Vorhaben hat der Bundesrat verworfen und stattdessen sogar noch gravierendere Beschränkungen für grenzüberschreitende Finanzierungen formuliert.
Buchführungspflicht
Anhebung der Grenzen
Die Grenzen für die steuerliche Buchführungs- und Bilanzierungspflicht sollen angehoben werden, und zwar die Umsatzgrenze von 600.000 auf 800.000 Euro und die Gewinngrenze von 60.000 auf 80.000 Euro; erstmals anzuwenden auf Umsätze der Kalender- oder Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen.
Späte Digitalisierung
E-Rechnung wird (später) Pflicht
Die obligatorische Verwendung der E-Rechnung ist Voraussetzung für die zu einem späteren Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem). Der Gesetzentwurf sah daher die Einführung der obligatorischen E-Rechnung bereits 2025 im Vorgriff auf die Einführung des vorgenannten Meldesystems vor. Die Vorteile der E-Rechnung für Unternehmen liegen auf der Hand. Leider wurde auch dieser Punkt vom Bundesrat „zerpflückt“. Er hat sich dafür ausgesprochen, die Einführung der elektronischen Rechnung auf den 1. Januar 2027 zu verschieben. Eine getrennte Einführung von obligatorischer E-Rechnung und Meldesystem hätte die hierfür jeweils erforderlichen technischen und organisatorischen Umstellungsarbeiten in den Unternehmen zeitlich entzerrt.
Was betrifft Arbeitnehmer?
Betriebsfeiern
Von 110 auf 150 Euro
Der Freibetrag für Betriebsveranstaltungen soll ab 2024 von 110 auf 150 Euro erhöht werden. Diese Erhöhung hat der Finanzausschuss des Bundesrats in seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2023 allerdings infrage gestellt und stattdessen eine Verbesserung der Abzugsfähigkeit von Geschenken angeregt. Der Gesetzentwurf beinhaltet diesbezüglich eine Erhöhung von aktuell 35 auf 50 Euro.
Dienstreisen
Höhere Verpflegungspauschalen
Ab 2024 sollen sich die Verpflegungspauschalen für Arbeitnehmer, die außerhalb ihrer Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig sind, bei ganztägiger Abwesenheit von 28 auf 30 Euro erhöhen. Für den An- und Abreisetag erhöht sich die Pauschale von 14 auf 15 Euro.
WICHTIG Das Gesetzgebungsverfahren ist bekanntlich volatil. Oft ergeben sich kurz vor der Verabschiedung noch Änderungen, die in das Gesetz einfließen.
Es ist nicht auszuschließen, dass einige der aufgeführten Punkte nochmals überarbeitet werden und weitere Rechtsnormen betroffen sind. tatort:steuern wird daher über etwaige Anpassungen in der Ausgabe 01 2024 berichten. •
© Stephan Pramme