tatort:steuern Schlagwortsuche Archiv
Noch nicht unglücklich genug – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Glosse

Eine durchschnittliche Ehe in Deutschland hält 15 Jahre. Das bedeutet viel Zeit für Ehepartner, aneinander die Stellen zu entdecken, an denen es richtig schmerzt. „Ohne das Geld meines Vaters hättest du deine Firma nie gründen können.“ „Du denkst, du bist wunderschön, dabei legst du nur so viel Wert auf deine Fassade, weil du innerlich leer bist.“ „Jeder kann sehen, dass deine Haare dünner werden.“ „Meine Freunde fanden dich schon immer schrecklich langweilig.“ „Du bist genau wie deine Mutter.“

Jedes dieser Worte ist eine Schrotkugel, jeder dieser Sätze eine Handgranate, von der anderen Seite des Küchentischs geschleudert. Für jede Scheidung, die einvernehmlich über die Bühne geht, gibt es eine, gegen die Napoleons Russlandfeldzug eine Strandwanderung war. Liebe ist deshalb so gefährlich, weil keiner voraussagen kann, was passiert, wenn sie sich in ihr Gegenteil verkehrt. Der Satz „Ich bin nicht wütend, ich bin nur enttäuscht“ ist allen in Scheidung Lebenden (und Überlebenden) bekannt. Denn die Enttäuschung eines Ehepartners ist wie der Brand in einem Hochmoor: An der Oberfläche meist schnell gelöscht, schwelt die Glut in der Torfschicht darunter noch jahrelang und kann das Feuer jederzeit wieder entfachen. Da reicht ein Funke wie, sagen wir, die um Jahrzehnte jüngere neue Lebensgefährtin des Ex-Manns oder die Traumhochzeit der Ex-Frau mit dem beruflich erfolgreichen Immobilienmagnaten, von dem sie schon während ihrer Ehe immer geschwärmt hat. Und puff! Über die glimmenden Torfschichten einer Scheidung zu manövrieren, ist manchmal ein Krieg, der erst mit der totalen Niederlage der gegnerischen Seite endet. Und manchmal nicht einmal dann.

Ideale Schlachtfelder sind Kinder, Hunde oder gemeinsam angeschaffte Immobilien. Nehmen wir einmal an, Björn und Kathrin haben 2015 ein Haus gekauft und im selben Jahr mit ihrem neugeborenen Kind bezogen. 2022 gerät die Ehe in die Schieflage, das verflixte siebte Jahr, seine Haare im Sieb der Dusche, ihre ständigen Telefonate mit ihrer Schwester, es ist nicht mehr auszuhalten, da sind sich beide einig, das Kind ist eingeschult und alt genug, es zu verstehen. Björn zieht aus und überlässt Kathrin und dem Kind das gemeinsame Haus. Nach der Scheidung will Kathrin Björn als Mitbesitzer nicht mehr dulden, er gibt sich trotzig und verweigert sich dem Verkauf, sie droht mit Zwangsversteigerung. Will Kathrin wirklich so eine massive Zicke sein? Will Björn Schuld daran tragen, dass sein Kind kein Dach über dem Kopf hat? Hmpf. Björn gibt nach und verkauft seinen Anteil am Haus an Kathrin. Und tröstet sich mit dem Gedanken, dass er immerhin keine Steuern zahlt bei diesem Gewinn. Ah, gibt da der BFH zu bedenken, hätte Björn die vorgeschriebenen zehn Jahre gewartet mit dem Verkauf, dann schon. Aber so waren es nur neun Jahre, und damit liegt leider, leider ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor.

Aber, protestiert Björn, Kathrin hat mich mit der Androhung einer Versteigerung des Hauses unter Druck gesetzt! Damit wird ja wohl eine Zwangslage vorliegen! Eh, seufzt der BFH, eigentlich nicht, denn eine emotionale Zwangssituation ist tatsächlich bedauernswert, aber grundsätzlich ohne Bedeutung.

Aber, stammelt Björn empört, ich habe ja, nimmt man es genau, das Haus meinem Kind überlassen, dem minderjährigen, und damit, hier schöpft er Hoffnung auf ein doch noch gutes Ende, existiert doch quasi eine Nutzung zu Wohnzwecken der besonderen Art, die mir anzurechnen ist.

Oje, stöhnt der BFH, ebendiese Minderjährigkeit lässt doch Zweifel an der alleinigen Nutzung der Haushälfte des Vaters zu, denn weder könne ein Siebenjähriger ein Haus allein bewohnen, auch nicht stellvertretend, noch sei die Anwesenheit der Mutter zu ignorieren, die diese Annahme noch unrealistischer mache. Anzurechnen gebe es da also nichts.

Björn ahnt, warum Kathrin es so eilig hatte mit dem Verkauf seiner Haushälfte. Er erinnert sich an ein kleines, feines Lächeln auf ihrem Gesicht, als der Notar die Verkaufsurkunde vollständig verlesen und Björn seine Unterschrift daruntergesetzt hat.

Björns sämtliche Torfschichten sind in wüster Glut, als ihm klar wird, dass er für den Verkauf seines Hauses doppelt bestraft werden wird. Aber er wird sich zusammenreißen, für das Kind. Sein Umgang mit Kathrin wird von kühler Höflichkeit sein. Sie werden sich das Sorgerecht teilen, und nie wird das Kind ein böses Wort von ihm über seine Mutter hören. Björn wird seinen Torf diskret glühen lassen, bis das Kind volljährig ist. Und aus dem Haus ausgezogen. Aber dann. Waldbrand auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz! Der mit Munition belastet ist! Mindestens!

Mehr zum Thema