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Tischplatten sind zulässig – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Glosse

Manchmal findet der Mensch nach seinem Ableben die ewige Ruhe. Manchmal aber geht der Ärger dann erst richtig los. Vor allem, wenn der frisch Verstorbene nicht vor der Zeit daran gedacht hatte, seine irdischen Güter gut aufzuteilen. Ob es dabei gerecht oder ungerecht zugeht, ist zweitrangig. Hauptsache, die Angelegenheit hat rechtlichen Bestand. Denn 75 Prozent der Deutschen drücken sich davor, ihren letzten Willen aufzusetzen, und die Fälle, in denen das Leben nach dem Tode nur die Fortsetzung von Schlampigkeiten zu Lebzeiten war, sind zahlreich.

Um das Erbe von Walt Disney zum Beispiel wird auch über 50 Jahre nach seinem Tod noch gerichtlich gestritten. Giovanni Agnelli, Herr über Fiat, war kaum unter der Erde, da klagte seine Tochter so laut und so lange gegen seinen letzten Willen, bis sie sich nicht nur mit der italienischen Steuerfahndung, sondern auch mit ihren Söhnen überwarf, die ihre Mutter nicht einmal mehr zur Taufe der Enkelkinder einladen mögen. Und Funk-Gott James Brown wurde monatelang in einer Lagerhalle in South Carolina tiefgekühlt, da erst per DNA-Analyse festgestellt werden musste, ob sein jüngstes Kind erbberechtigt war.

In den nächsten zehn Jahren werden in Deutschland mehr als 2,6 Billionen Euro vererbt werden. Den Ärger, der daraus erwachsen könnte, möchte man sich beim besten Willen nicht vorstellen. Dabei ist es ziemlich einfach, Erbstreitigkeiten zu vermeiden, denn es gilt nicht mehr als zwei Dinge zu beachten. Erstens: Das Testament muss handschriftlich verfügt werden. Das klingt nicht besonders anspruchsvoll. Man muss lediglich einen Stift in die Hand nehmen und schreiben. Doch die Hand darf hierbei nicht geführt werden! Man hat böse Erfahrungen gemacht mit Familienmitgliedern, die die Abwesenheit der Krankenschwester genutzt haben, um die Hand des Komapatienten zu nehmen und ihn ein Testament zu ihren Gunsten aufsetzen zu lassen. Zweitens: Das Testament muss unterschrieben werden. Es reicht nicht, dem Amtsgericht eine ausgedruckte Word-Datei vorzulegen, in der Tantchens gesamter Besitz der eigenen Person vermacht wird.

Eine Unterschrift muss her, sonst ist der letzte Wille das Druckerpapier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Wobei es nicht immer Papier sein muss: Ein Mann aus Köln bestimmte erst seine Frau, dann seinen Bruder zum Alleinerben. Die Erbeinsetzung seines Bruders bereuend, widerruft er sie, handschriftlich, und legt das Dokument auf einen Tisch in seiner Wohnung. Neben das Dokument, auf die Tischplatte, schreibt er mit Filzstift ein neues Testament, dass seine Ehefrau zur alleinigen Erbin bestimmt. Nun sind Filzstifte zwar ökologisch ein Desaster, hier aber nicht das Problem. Auch die Tischplatte, auf der das Testament notiert wurde, befand das Amtsgericht als zwar ungewöhnlich, aber nicht unzulässig. Denn sofern der Inhalt eines letzten Willens stofflich manifestiert ist, ist es wurscht, ob es auf einer Gardine, Alufolie oder einem Gipsbein geschieht. Ausschlaggebend ist, wie beim Kauf einer Waschmaschine, die Unterschrift. Zwar genügt grundsätzlich eine Unterschrift auf dem letzten Blatt eines Testaments, aber nur sofern die Zusammengehörigkeit der einzelnen Blätter zweifelsfrei belegt ist. Jedoch ließ sich ein weiterer Tisch, versehen mit einer Unterschrift, in der Wohnung des Verstorbenen nicht finden. Der Antrag der Witwe auf einen Alleinerbschein wurde daher zurückgewiesen. Beim letzten Gespräch des Ehepaares wäre man gern dabei gewesen. „Schatz, ich glaube, mir geht’s nicht so gut.“ „Was fehlt dir denn?“ „Ich glaube, ich sterbe.“ „Oje, dann mach mal schnell noch dein Testament.“ „Das ist eine gute Idee! Magst du dir das Erbe mit meinem Bruder teilen?“ „Ach nee, das fänd ich nicht so toll.“ „Auch gut, dann gibt mir mal schnell ein Blatt Papier.“ „Papier? Also, das hab ich jetzt grad nicht.“ „Kein Problem, dann schreib ich es rasch hier auf die Tischplatte.“ „Hier hast du einen Filzstift.“ „Danke, aber jetzt ist der Tisch zu Ende, und ich muss doch noch unterschreiben.“ „Und jetzt?“ „Ich könnte auf dem Teppich unterschreiben.“ „Nicht auf dem Teppich! Den hab ich grad erst reinigen lassen.“

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