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Warum bezahlen wir eigentlich Abgeltungsteuer? Eine fiktive Erzählung mit historischen Fakten
Kapitalerträge zu versteuern war in Deutschland nie das Problem – sie zu finden, war es. Schon in der Weimarer Republik standen Zinsen und Dividenden im Einkommensteuergesetz, doch wer wollte, konnte sie leicht verschweigen. Bankgeheimnis, Barverkehr und fehlende Kontrollmöglichkeiten machten Ehrlichkeit zur Kür.
Nach dem Krieg war klar: Der junge Staat brauchte Einnahmen – und Vertrauen in ein faires Steuersystem. Bundesfinanzminister Fritz Schäffer zog 1953 die Konsequenz und führte unter Kanzler Konrad Adenauer die Kapitalertragsteuer ein. Keine neue Steuer, sondern ein neues Prinzip: Der Staat holte sich seinen Anteil direkt an der Quelle, nämlich bei der ausschüttenden Aktiengesellschaft. Damit begann die Ära der Quellenbesteuerung.
Doch Zinsen aus Sparbüchern und Auslandsguthaben blieben weiter unsichtbar. Als in den 1980er-Jahren die Kapitalmärkte explodierten und das Schweizer Bankgeheimnis zum Fluchttunnel für Zinseinnahmen wurde, reagierte Bonn mit dem Zinsabschlag von 1989. Banken mussten nun einen Teil der Zinsen automatisch ans Finanzamt abführen – als „Vorauszahlung auf die Ehrlichkeit“ des Steuerpflichtigen.
Das System funktionierte, aber nur bis zur nächsten Stufe der Globalisierung. Österreich hatte 1993 bereits eine echte Kapitalertragsteuer eingeführt, Skandinavien experimentierte mit pauschalen Quellensteuern, und weltweit setzte sich das Prinzip „einfach, pauschal, endgültig“ durch.
2007 griff Peer Steinbrück als Finanzminister die Idee wieder auf: Statt weiter zu kontrollieren, wollte er automatisch kassieren. Mit der Abgeltungsteuer, eingeführt 2009, wurde der Quellenabzug vollendet – 25 Prozent pauschal auf alle Kapitalerträge, anonym und abschließend. Der Steuerpflichtige bekam Ruhe, der Fiskus Sicherheit.
Und damit war auch der Name Programm: Die Steuer „gilt ab“ – sie begleicht die Steuerschuld mit dem Abzug an der Quelle. Keine Anrechnung, keine Nachveranlagung. Eine Steuer, die hält, was ihr Name verspricht – und ein stiller Deal zwischen Staat und Anlegern: Ihr zahlt sofort, und wir fragen nicht weiter.
© Illustration: Frank Albinus