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Es kommt drauf an, was drauf ist – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Glosse

Dem Engländer sind gebratene Eier, Würstchen, Bohnen und Speck ein Frühstück, der Franzose bevorzugt ein zart gebackenes Croissant und einen Milchkaffee im Stehen. Horst Mustermann braucht sechs Brötchenhälften mit Zwiebeln und Mett, um eine Mahlzeit als Frühstück zu erkennen, seine Frau Monika hält eine Scheibe Knäckebrot und drei zart gesalzene Radieschen für völlig ausreichend. Will sagen, Definitionen von Frühstück gibt es so viele wie Menschen, die frühstücken. Vor einiger Zeit hat das Finanzgericht Münster noch eine weitere Definition hinzugefügt: Unbelegte Backwaren nebst Heißgetränken stellen kein Frühstück dar!

Notwendig geworden war diese Feststellung durch die Angewohnheit eines Software-Unternehmens, seinen Angestellten und Kunden während einer halbstündigen Arbeitspause trockene Brötchen und Automatenkaffee zur Verfügung zu stellen. Man wollte damit den Ideenaustausch und das Finden von stellenübergreifenden Problemlösungen fördern. Oder wie es das Gericht so viel treffender formuliert: günstige betriebliche Arbeitsbedingungen schaffen.

Auf der anderen Seite des Frühstückstisches: ein Finanzamt, das Backwaren und Getränke als Frühstück ansieht, das es mit den amtlichen Sachbezugswerten zu besteuern gilt.

Nein, gilt es nicht, verneinte das Finanzgericht und sah sich zart inspiriert in seinem Widerspruch durch ein Urteil des BFH, der bereits die Abgabe von Kaltgetränken an Arbeitnehmer nicht als Vorteil, sondern als „Aufmerksamkeit“ gesehen haben wollte. Ein Glas Brause ist ein prickelndes Dankeschön, aber es ist keine Bereicherung (wer will auch schon in Fassbrause bezahlt werden). Das Steuerrecht unterscheidet recht kleinlich zwischen „Mahlzeit“, „Kost“ und eben „Aufmerksamkeit“, und nur die beiden Letztgenannten sind steuerfrei, und auch das nur unter Berücksichtigung einer Ausgabenobergrenze.

Der aufmerksame Leser fragt sich bestimmt, wie ein global operierendes Software-Unternehmen bei dem hiesigen alarmierenden Fachkräftemangel auf die Idee kommen kann, seinen Angestellten als „Aufmerksamkeit“ nicht mehr als trockene Brötchen und Filterkaffee zu schenken. Silicon Valley hat angerufen! Sie wollen dich! Och, nöö, ich bleib lieber hier, hier gibt es trockene Rosinenbrötchen ohne was drauf!

Rosinenbrötchen waren allerdings nicht das Einzige, was angeboten wurde. Zwischen trockenen Brötchen und Rosinenbrötchen hatten sich auch immer wieder Käsebrötchen gefunden, also Brötchen, die mit Käse überbacken worden waren. Ha! Das Finanzamt witterte Morgenluft. Wenn Brötchen erst durch die Kombination mit weiteren Lebensmitteln zum Frühstück wurden, hatte man doch hier eine Kombination reinsten Wassers: Brötchen + Käse = Frühstück! Nein, widersprachen die Richter, man könne im Teig verbackene Rosinen oder auf dem Teig aufgebackenen Käse nicht mit Marmeladenaufstrich oder Schnittkäse gleich­stellen.

Einen allerletzten Versuch unternahm das Finanzamt noch, an seine Steuernachzahlung zu kommen (wir reden hier bei Brötchen- und Filterkaffeekosten von im Schnitt 1,57 Euro pro Mitarbeiter und 80 Mitarbeitern insgesamt und  geschätzten 240 Arbeitstagen über einen Zeitraum von drei Jahren über immerhin etwas mehr als 90.000 Euro) – haben oder nicht haben. Durch die gesteigerte Mobilität und die Tatsache, dass immer weniger Arbeitnehmer Zeit für ein reguläres Frühstück zu Hause fänden, könne man mit Fug und Recht von stark geänderten Essgewohnheiten sprechen. Schon ein Coffee-to-go und ein unterwegs hastig verzehrtes trockenes Brötchen empfänden viele Arbeitnehmer und Nicht-Arbeitnehmer heutzutage bereits als Frühstück. Mit einem letzten Hinweis auf die Verkehrsauffassung, nach der für ein einfaches Frühstück in jedem Fall ein Aufstrich oder Belag hinzutreten muss, schmetterte das Gericht auch diesen letzten Einspruch ab.

Man sieht: Auffassungen kommen und gehen, das Frühstück bleibt. Und es ist ewig, unantastbar und unteilbar. Wie Brötchen und Belag eben. Basta!

© Cristóbal Schmal - www.artnomono.com

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