Grundsteuer
Mehr oder weniger?
Seit sechs Jahren ist klar: Die Grundsteuer muss aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reformiert werden. Zu diesem Zweck wurden alle Grundstücke zum 1. Januar 2022 nach neuen Regeln bewertet. Auf dieser Basis erfolgt die Festsetzung der neuen Grundsteuer, die ab 2025 zu entrichten sein wird. Für viele wird es teurer. tatort:steuern gibt einen Überblick über den aktuellen Stand.
Seit geraumer Zeit sorgt die Neubewertung der Grundstücke in Deutschland für Unruhe. Nun steht das Thema mal wieder im Fokus der Öffentlichkeit, denn ab dem kommenden Jahr gilt die neue Grundsteuer. Sie trifft Eigentümer und Mieter gleichermaßen. Der Vermieter kann die Steuer auf den Mieter umlegen.
Was gilt bisher?
Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten bereits 2018 die Bewertung für grundsteuerliche Zwecke für unvereinbar mit der Verfassung erklärt. Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf jahrzehntealten Grundstückswerten (den sogenannten Einheitswerten). In den westdeutschen Ländern werden die Werte der Grundstücke aus dem Jahr 1964 zugrunde gelegt. In den ostdeutschen Ländern sind die zugrunde gelegten Werte sogar noch älter; sie beruhen auf Feststellungen aus dem Jahr 1935. Da sich die Werte von Grundstücken seitdem sehr unterschiedlich entwickelt haben, kommt es seit Jahren auf Basis der Einheitswerte zu erheblichen steuerlichen Ungleichbehandlungen. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies moniert und den Gesetzgeber aufgefordert, das Grundsteuerrecht spätestens bis 2025 zu reformieren.
Neubewertung zum 1. Januar 2022
Grundlage für die neue Grundsteuer bilden die Wertverhältnisse am 1. Januar 2022. Auf Basis dieser Werte wird die neue Grundsteuer berechnet und greift dann erstmals ab 2025. Für die Bewertung gilt ein sogenanntes Bundesmodell, das im Bewertungsgesetz geregelt ist und sich für Wohngrundstücke an einem vereinfachten Ertragswertverfahren und für Nichtwohngrundstücke am Sachwertverfahren orientiert.
Verkompliziert wird die Bewertung dadurch, dass mehrere Bundesländer von einer im Grundgesetz verankerten Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und statt des Bundesrechts eigene Ländermodelle entwickelt haben. Mit Ausnahme von Baden-Württemberg unterscheiden sich diese vom Bundesmodell dadurch, dass eine flächenabhängige und damit weitgehend wertunabhängige Berechnung des Grundsteuerwerts erfolgt.
Vom Bundesmodell abweichende Bewertungen erfolgen für Grundstücke in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Hessen. Das Ergebnis ist ein bewertungsrechtlicher Flickenteppich.
In den letzten zwei Jahren wurden von den Finanzämtern unter massivem Verwaltungsaufwand für alle rund 36 Millionen Grundstücke in Deutschland neue Grundsteuerwerte festgestellt.
Mehr oder weniger?
Im bis 2024 noch geltenden System kommt es gerade in Ballungsräumen zu erheblichen Belastungsunterschieden; insbesondere Altbauten in guten Lagen waren durch sehr niedrige Grundsteuern besonders privilegiert. Für Eigentümer und Mieter von Neubauten war die Grundsteuer dagegen häufig um ein Vielfaches höher. Im Ergebnis kommt es folgerichtig zu einer Reduzierung der Grundsteuer für die bislang sehr hoch belasteten Grundstücke und zu einer Erhöhung bei Grundstücken, die aktuell von einer sehr niedrigen Grundsteuer profitiert haben. Ob damit das politisch erklärte Ziel, die neue Grundsteuer „aufkommensneutral“ auszugestalten, erreicht wird, wird man wohl erst später beurteilen können. Einige Städte und Gemeinden haben ihre Grundsteuer-Hebesätze jedenfalls angepasst. In vielen Fällen dürfte eine höhere Grundsteuer für Mieter zu einer spürbaren Erhöhung der Nebenkosten führen.
Neue Grundsteuerbescheide lassen auf sich warten!
Obwohl die Bescheide über die aktualisierten Grundsteuerwerte von den Finanzämtern bereits seit längerer Zeit vorliegen, verzögert sich in vielen Städten und Gemeinden die Bekanntgabe der neuen Grundsteuerbescheide für 2025. Zahlreiche Kommunen scheinen überfordert und können die auf die Grundsteuermessbeträge anzuwendenden Hebesätze nicht rechtzeitig berechnen. Dies wiederum macht es den Grundstückseigentümern unmöglich, die voraussichtliche Steuerbelastung zu kalkulieren. Nach einer Umfrage des Internetportals Finanztip planen 22 der 25 größten deutschen Städte einen Versand der Grundsteuerbescheide erst im kommenden Jahr. Allein in Berlin hat der Versand bereits begonnen und soll bis Ende 2024 abgeschlossen sein.
Wer noch länger auf seinen Grundsteuerbescheid warten muss, kann im Frühjahr kurzfristig mit unerwarteten Mehrkosten konfrontiert werden. Denn die jährlich zu entrichtende Grundsteuer wird in vier vierteljährlichen Teilbeträgen – beginnend am 15. Februar – fällig.
Neue Grundsteuerwerte: Vom Regen in die Traufe?
Bereits kurz nachdem das neue Bewertungsrecht Eingang in das Gesetz gefunden hatte, wurden in der Fachwelt erneut Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert. Bei den Gerichten sind diesbezüglich mehrere Verfahren anhängig, zum Beispiel beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Es empfiehlt sich also, Feststellungsbescheide über Grundsteuerwerte mittels Einspruch offenzuhalten.
Niedersachsen: Einspruchsverfahren ruhen!
Das niedersächsische Landesamt für Steuern hat verfügt, dass gegen Bescheide über die Grundsteueräquivalenzbeträge (Hauptfeststellung auf den 1. Januar 2022) eingelegte Einsprüche ruhen, soweit geltend gemacht wird, dass das niedersächsische Grundsteuergesetz nicht verfassungsgemäß sei. Zu dieser Frage ist beim niedersächsischen Finanzgericht ein Klageverfahren anhängig. Für Grundstücke in Niedersachsen gilt abweichend vom Bundesmodell das sogenannte Flächen-Lage-Modell. Grundlage für die Bewertung der Grundstücke sind die Flächen des Grund und Bodens und des Gebäudes multipliziert mit einer Äquivalenzzahl (bestimmter Zahlenwert je Quadratmeter Boden und Gebäudefläche) und einem Lage-Faktor (Zu- oder Abschlag für die Lage des Grundstücks) für das jeweilige Grundstück.
Nachweis eines geringeren Wertes
Die für die Feststellung des Grundsteuerwerts maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften enthalten aus Gründen der Automatisierung und Bewältigung der Neubewertung eine Vielzahl von Typisierungen und Pauschalierungen. Grundstücksbezogene Einschränkungen oder Mängel bleiben außer Betracht. Hierdurch kann es im Einzelfall zu Überbewertungen kommen. Davon betroffen können beispielsweise im Verhältnis zum Gebäude übergroße Grundstücke sein, für die im Bundesmodell ein Mindestwert greift. Ist eine weitere Bebauung möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt möglich, kommt es zu einer Überbewertung, da das Gesetz bislang keine Möglichkeit vorsieht, einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen. Auch für Pkw-Tiefgaragenplätze (Teileigentum), die nicht als Sondernutzungsrecht zu einer Wohnung gehören, ergeben sich häufig überhöhte Grundsteuerwerte.
In zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Der BFH sieht das sogenannte Übermaßverbot als verletzt an, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Dies setze nach der bisherigen Rechtsprechung zu anderen typisierenden Bewertungsvorschriften voraus, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswert um 40 Prozent oder mehr übersteigt.
In derartigen Fällen dürfte der Nachweis eines niedrigeren Marktwerts durch ein Gutachten oder einen Vergleichspreis nunmehr möglich sein, zumal der Gesetzgeber eine entsprechende Öffnungsklausel in das Jahressteuergesetz 2024 aufgenommen hat. Da der Steuerpflichtige die Kosten für ein Gutachten selbst zu tragen hat, stellt sich allerdings stets die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Neue Anzeigepflichten beachten
Nach dem neuen Recht ist der Steuerpflichtige verpflichtet, jede Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die sich auf die Höhe des Grundsteuerwerts, die Vermögensart oder die Grundstücksart auswirken, anzuzeigen. Das gilt zum Beispiel, wenn ein Gebäude oder Gebäudeteil abgerissen oder ein bislang zu Wohnzwecken genutztes Gebäude voll- oder teilweise geschäftlich genutzt wird oder umgekehrt. Diese Anzeige ist innerhalb eines Monats nach Ablauf des Jahres, in dem sich die Verhältnisse geändert haben, unaufgefordert beim zuständigen Finanzamt vorzunehmen.
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