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Deutschland in Slow Motion – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Brennpunkt

Deutschland in Slow Motion

Was für die Berliner Wildschweine im Grunewald durch kilometerlange Plastikzäune entlang der frisch geteerten Straßen vermieden werden soll, klappt deutschlandweit überhaupt nicht. Wie in einem Honigtopf, anstatt in flüssigem Teer, bekommen wir bei der Realisierung unserer Vorhaben kaum einen Schritt vor den anderen. Unsere Produktivität schrumpft seit vielen Jahren und ist durch ganz verschiedene Ursachen auf einem unbefriedigenden Niveau angelangt. Angetrieben von der schier unglaublichen Informationsflut und anderen Multibelastungen im Arbeits­leben, ging die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in den letzten Jahren nur noch zurück. Immer weniger arbeitsfähige Menschen möchten in Vollzeit arbeiten. Und was ist überhaupt Vollzeit? Eine 40-, 38- oder gar 36-Stunden-Woche?

Hinzu kommt, dass die Krankenkassen Alarm schlagen: Die Krankenstände sind nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Und viele Unternehmer klagen, dass sie weiterhin steigen. Auch sind die Anteile von psychischen Belastungsstörungen im Verhältnis angestiegen, was sich ungünstig auf die Dauer von krankheitsbedingten Ausfällen auswirkt.

Wer selbstständig ist, musste schon immer mit mehreren Unbekannten gleichzeitig planen. Aber mittlerweile werden die Parameter immer unkalkulierbarer, und gefühlt treten für Unternehmen immer seltener positive Entwicklungen ein. Zuletzt haben zum Beispiel Lieferengpässe und durch den Fachkräftemangel unbesetzte Stellen sowie Preissteigerungen fast jegliche Art von Produktionen erschwert. Zu den unkalkulierbaren Unbekannten gehören auch die Steuerbelastungen der Zukunft. Dazu passt, dass die tatsächliche Höhe der neuen Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 noch weitestgehend unklar ist. Dies trifft Unternehmen im Betriebsvermögen genauso wie Eigentümer privater Immobilien. Zum einen äußerte der Bundesfinanzhof im Juni 2024 Zweifel an dem typisierten Wertfeststellungsverfahren der Grundsteuerwerte im Bundesmodell, aufgrund dessen die Eigentümer nun niedrigere Grundstückswerte durch Gutachten nachweisen können. Zum anderen liegen in vielen Bundesländern immer noch nicht die veröffentlichten Hebesätze für die endgültige Vorausberechnung der ab dem 1. Januar 2025 fälligen Grundsteuer vor. Wird sie nun höher oder vielleicht sogar niedriger? Man weiß es nicht. Auch ist unklar, ob sich der finanzielle Aufwand eines Immobiliengutachtens überhaupt lohnt, um die teilweise noch unbekannte Steuer zu senken.

Rechnen mit mehreren Unbekannten – da sind die Mathe-Cracks vermutlich im Vorteil. Selbige könnten uns auch ausrechnen, welche Produktivitätssteigerung Deutschland erreichen würde, wenn es gelänge, bürokratische Hürden abzubauen und die Krankheitsstände im Durchschnitt etwas zu senken. Ganz zu schweigen von der Motivation aller, wenn sie mit ihren Füßen aus dem „Honigtopf“ auf festem Boden beschleunigen und – unterstützt von einer funktionierenden Infrastruktur und zuverlässigen Gesetzgebung – zum Sprint ansetzen könnten. Fragen wir mal unsere Mathematiker nach exponentiellem Wachstum. Das wäre das Ende der aktuellen Bewegung in Zeitlupe. •

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