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Von Lichtzeichen und Beutelschneidern – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Brennpunkt

Von Lichtzeichen und Beutelschneidern

Seit rund drei Monaten regiert uns eine Ampel. Steuerpolitisch ist jedoch leider keine große Signalwirkung zu erblicken. Im Koalitionsvertrag finden sich weder das Bekenntnis zu einer umfassenden Unternehmenssteuerreform noch zu einer Neuregelung des Einkommensteuertarifs. Beides wäre jedoch außerordentlich wichtig.

Die Unternehmen in Deutschland befinden sich in einem globalen Wettbewerb. Steuerliche Gesichtspunkte sind zwar nicht der alleinige, aber ein ganz wesentlicher Aspekt für die Anziehungskraft eines Unternehmensstandorts. Dies gilt insbesondere, wenn andere Faktoren wie hohe Energiekosten, Umweltauflagen und überbordende Verwaltung die Attraktivität beeinflussen. Zwar mäandert der Bürokratieabbau als Oberziel gleichsam durch sämtliche materiellen Regel­ungsentwürfe der Koalitionäre, gleichwohl stellt die weit verbreitete Überregulierung einen der wesentlichen Nachteile des Standorts Deutschland dar. Weder wird die überfällige Reform der Gewerbesteuer angepackt, noch soll der Solidaritätszuschlag für Kapitalgesellschaften abgeschafft werden. Schaut man hingegen über die Landesgrenzen hinaus, so zeigt sich ein ganz anderes Bild: Gerade in jenen Staaten, zu denen deutsche Unternehmen intensive Handels- und Geschäftsbeziehungen unterhalten, hat sich beim Thema Unternehmensbesteuerung in den letzten Jahren sehr viel getan.

Außerdem sehen sich die Verbraucher einer zunehmenden Inflation ausgesetzt, die nun wie ein Brennglas die ebenfalls seit Jahren verschlafene Reform des Einkommensteuertarifs in den Fokus rückt. Eine Inflation produziert viele Verlierer und einen Gewinner: den Staat. Denn der kassiert kräftig mit, sobald sich die Preise im Laden und die Summen auf den Gehaltskonten nach oben entwickeln. Im Ergebnis steigt die Steuerbelastung, wenn der Einzelne zwar die gleiche Einkommensteuer zahlt, aber wegen steigender Preise weniger für sein Netto bekommt. Führt die Inflationsspirale zu Gehaltserhöhungen, rutschen Millionen Menschen in einen höheren Steuertarif, obwohl ihre Kaufkraft sich trotz Lohnerhöhung gar nicht verändert hat. Dieses – auch als kalte Progression bezeichnete – Phänomen lässt sich nur durch eine Anpassung des Einkommensteuertarifs an die tatsächliche Inflation vermeiden, was jedoch bisher nicht erfolgt ist. Bereits 2020 hatte das Bundesfinanzministerium die sich durch diesen Effekt ergebenden Mehreinnahmen des Staates auf rund zwei Milliarden Euro beziffert – bei einer seinerzeit unterstellten Inflationsrate von 1,2 Prozent. Im Dezember 2021 betrug die Inflationsrate 5,3 Prozent.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die von Bundesfinanzminister Christian Lindner kürzlich angekündigten Steuerentlastungen von rund 30 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren geradezu homöopathisch. Die avisierte volle Absetzbarkeit der Beiträge zur Rentenversicherung und die Abschaffung der EEG-Umlage auf den Strompreis machen angesichts jährlicher Einnahmen aus Steuern und Sozialabgaben von etwa 1,5 Billionen Euro gerade einmal eine Entlastung von einem halben Prozent aus. Ohnehin dürfte dieser Vorteil sehr schnell durch den steigenden CO2-Preis sowie höhere Beiträge zur Krankenversicherung und wohl bald auch zur Rentenversicherung aufgewogen werden.

Angesichts der vielen brennenden Themen ist ein klares Lichtzeichen der Ampel beim Thema Steuern nun wichtiger denn je.

© Finkenherd - stock.adobe.com (M)

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