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Schlimmer geht immer – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Gas- und Wärmepreisbremse

Schlimmer geht immer

Infolge der hohen Energiepreise erhalten Gas- und Wärmekunden Unterstützung vom Staat. Die Entlastung unterliegt jedoch in bestimmten Fällen der Einkommensteuer. tatort:steuern erklärt das hinter der Regelung stehende bürokratische Monstrum.

Für Bürger sowie kleine und mittlere Unternehmen gilt seit März 2023 eine Gaspreisbremse, die auch die Monate Januar und Februar rückwirkend umfasst. Das bedeutet, dass ein Kontingent von 80 Prozent ihres Erdgasverbrauchs im Regelfall zu zwölf Cent je Kilowattstunde (einschließlich Umsatzsteuer) gedeckelt wird, es dafür also einen Rabatt im Vergleich zum Marktpreis gibt. Für Wärme beträgt der gedeckelte Preis im Regelfall 9,5 Cent je Kilowattstunde. Für den restlichen Verbrauch ist der normale Marktpreis zu zahlen. Im März haben die Verbraucher zusätzlich einmalig einen rückwirkenden Entlastungsbetrag für die Monate Januar und Februar erhalten.

Aufgrund des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetzes (EWSG) hat der Staat bei Gas- und Fernwärmekunden auch den Abschlag für den Monat Dezember 2022 übernommen. Dies erfolgte dergestalt, dass die Gasversorger oder Fernwärmeerzeuger ihren Kunden diesen Abschlag gar nicht erst in Rechnung stellten, sondern beim Bund eine entsprechende Ausgleichszahlung beantragt haben. Bei dieser Soforthilfe war es nicht möglich, individuelle Merkmale der Letztverbraucher zu berücksichtigen. Die Entlastung wurde stattdessen im „Gießkannenprinzip“ bezogen auf den einzelnen Gasanschluss berechnet. Der Versorger hat keine Kenntnis, ob hinter dem Gas- oder Fernwärmeanschluss ein Mehrfamilienhaus oder eine Luxusvilla steht. Erst recht hat er keine Informationen über die wirtschaftliche Situation der jeweiligen Verbraucher. Fragen der Bedürftigkeit oder tatsächlich bestehender Einsparpotenziale waren ebenfalls ohne Belang.

Auch wenn das Steuerrecht kein Korrektiv ungenau ausgestalteter Sozialleistungen sein sollte, hat es sich der Gesetzgeber wieder einmal nicht nehmen lassen, genau dieses „zur Herstellung sozialer Ausgewogenheit“ zu bemühen. So hat die Besteuerung der Dezember-Soforthilfe mit komplexen Regelungen bereits Eingang in das Einkommensteuergesetz gefunden. Es ist wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber die Steuerpflicht auch auf für die ab dem 1. Januar 2023 geltenden Energiepreisbremsen erweitern wird.

Wie wird die Entlastung erfasst?

Betriebe spüren die Entlastung durch entsprechend niedrigere Betriebsaus­gaben. Die Erfassung ist im Rahmen der Buchführung gewährleistet; es liegt nur ein abgekürzter Zahlungsweg vor. In allen anderen Fällen fingiert das Gesetz für den Entlastungsbetrag sonstige Einkünfte. Für Arbeitnehmer kann sich daraus die Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung ergeben.

Wann wird besteuert?

Die Versteuerung erfolgt im Jahr der Endabrechnung – also in dem auf das Verbrauchsjahr folgenden Steuerjahr. Die Entlastungen gelten als im Veranlagungszeitraum der Erteilung der Rechnung des Wärmeversorgers zuge­flossen. Die Versteuerung der Dezember-Soforthilfe erfolgt demnach im Rahmen der Einkommensteuerer­klärung für das Jahr 2023.

Wer ist betroffen?

Eine Besteuerung erfolgt erst, wenn das zu versteuernde Einkommen im Zuflussjahr mindestens 66.915 Euro beträgt. Die Besteuerung trifft damit ausschließlich diejenigen, die auch den Solidaritätszuschlag entrichten. Beide Freigrenzen sind identisch. Zwischen 66.915 Euro und 104.009 Euro gibt es eine Milderungszone. In diesem Bereich steigt der Anteil der Entlastung, der zu besteuern ist, linear an. Bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge.

BEISPIEL Der ledige Arbeitnehmer A hat im Jahr 2023 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 80.000 Euro. Aus der im Jahr 2023 erteilten Rechnung des Energieversorgers ergeben sich für selbst genutzte Immobilien Soforthilfen von insgesamt 2.000 Euro.

Lösung: Die Differenz des zu versteuernden Einkommens zur Untergrenze der Milderungszone beträgt 13.085 Euro (= 80.000 Euro – 66.915 Euro). Die Breite der Milderungszone beläuft sich auf 37.094 Euro (= 104.009 Euro – 66.915 Euro). Daraus errechnet sich ein zu versteuernder Anteil der Entlastungen in Höhe von 35,27 Prozent (= 13.085 Euro / 37.094 Euro). A hat somit im Jahr 2023 insgesamt 705 Euro (= 2.000 Euro × 35,27 %) als sonstige Einkünfte zu versteuern. Er ist verpflichtet, für 2023 eine Einkommensteuererklärung abzugeben.

Im Bereich der Milderungszone ist also nur der Bruchteil der Entlastungen einzubeziehen, der sich als Differenz aus dem zu versteuernden Einkommen und der Untergrenze der Milderungszone dividiert durch die Breite der Milderungszone errechnet.

Wie erfährt man von der Entlastung?

Die Erdgas- und Wärmelieferanten sind gesetzlich verpflichtet, den Letztverbrauchern für jede ihrer Entnahmestellen in Deutschland den Entlastungs­betrag gutzuschreiben und in der Rechnung gesondert auszuweisen. Da Mieter und Wohnungseigentümer oft nicht selbst unmittelbare Vertragspartner der Energielieferanten sind, erhalten sie die Entlastung durch Weitergabe ihrer Vermieter oder der Wohnungseigentümergemeinschaften. Zwar fehlt es im Gesetzestext an einer klaren Regelung, welcher Person die Entlastung steuerlich zuzurechnen ist. Es dürfte jedoch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sein. Maßgeblich wäre dann die interne Aufteilung der Nebenkosten durch die Bewohner. Damit verbunden ist ein enormer bürokratischer Aufwand, denn Vermieter und Hausverwalter treffen hieraus weitreichende Bescheinigungspflichten.

FAZIT Mit den bereits erfolgten und im Raum stehenden Neuregelungen zur Versteuerung der Energiepreisbremsen verkompliziert sich das Steuerrecht deutlich. Die Sonderregelungen setzen an verschiedenen Stellen die langjährig entstandene Systematik des Einkommensteuerrechts außer Kraft. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Nutzung des Steuerrechts als Korrektiv von Sozialleistungen nicht dauerhaft etabliert.

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