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Grenzwertig besteuert – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Wegzugsbesteuerung

Grenzwertig besteuert

Schlechtes Wetter, hohe Steuersätze, trübe Stimmung: Die Gründe dafür, dass immer mehr Menschen dauerhaft ins Ausland ziehen, sind vielfältig. Ein Umzug kann jedoch weitreichende steuerliche Konsequenzen haben. Wer nicht aufpasst, muss auch ohne Verkauf den Vermögenszuwachs seines Betriebs oder bestimmter Beteiligungen im Zeitpunkt des Wegzugs versteuern. tatort:steuern erklärt, worauf es ankommt.

Deutschland ist umgeben von einer durch steuerliche Regularien geprägten Mauer. Das kann spürbar werden, wenn Unternehmer oder Eigentümer von Unternehmensbeteiligungen ins Ausland ziehen. Denn dann kommt es häufig zu einer Einschränkung oder zu einem Wechsel von Besteuerungsrechten. Durch einen Wegzug verliert Deutschland im Regelfall das Recht, die bis dahin im Inland erwirtschafteten Vermögenszuwächse (stille Reserven) zu besteuern. Der Gesetzgeber hat daher komplexe Regelungen im Steuerrecht geschaffen, die die Kapitalflucht erschweren und eine steuerliche Erfassung in Deutschland sicherstellen sollen.

Anteile an Kapitalgesellschaften

Die gemeinhin als Wegzugsteuer bezeichnete Regelung betrifft die einkommensteuerliche Erfassung von Anteilen an Kapitalgesellschaften von mindestens einem Prozent, die im Privatvermögen gehalten werden. Danach steht die Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht einer Veräußerung derartiger Anteile gleich. Die Steuer beläuft sich auf effektiv rund 28 Prozent des in den Anteilen ruhenden Vermögenszuwachses (Marktwert abzüglich Anschaffungskosten).

Obwohl keine Liquidität aus einem Verkauf zufließt, ist die Zahlung der Steuer grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. Es ist zwar eine Ratenzahlung und – bei vorübergehenden Wegzügen – auch eine echte Stundung der Steuer möglich. Dies setzt aber in der Regel die Leistung von Sicherheiten für die gestundete Steuer voraus. Daher ist ein Zahlungsaufschub nicht gesichert. Eine gezahlte Steuer ist aber bei Rückkehr ins Inland zu erstatten, soweit die Wegzugsteuer entfällt.

Aber: Die Wegzugsteuer entfällt bei Rückkehr innerhalb von sieben Jahren ins Inland nur, wenn die Anteile nicht in der Zwischenzeit veräußert oder übertragen werden. Schädlich sind auch Schenkungen, Umwandlungen, Einbringungen und Einlagen in ein Betriebsvermögen. Ein Entfallen der Wegzugsteuer bei Rückkehr ist ebenfalls ausgeschlossen, soweit Gewinnausschüttungen oder eine Einlagenrückgewähr erfolgen, die 25 Prozent des Anteilswerts im Zeitpunkt des Wegzugs übersteigen. Da solche Gewinnausschüttungen bei inländischen Kapitalgesellschaften weiterhin einer deutschen Quellensteuer unterliegen würden, droht hier eine Doppelbesteuerung aus Wegzugsteuer und Ausschüttungsbesteuerung.

Als besonders komplex erweist sich in diesem Kontext die Definition des steuerlichen Wegzugs, der auch allein infolge einer Regelungsänderung (sogenannte passive Entstrickung) eintreten kann.

Beispiel Der in München wohnhafte A ist an einer italienischen Kapitalgesellschaft beteiligt, deren Vermögen überwiegend aus Grundbesitz in Südtirol besteht. Es ist beabsichtigt, das Doppelbesteuerungsabkommen an das OECD-Musterabkommen anzupassen und eine Immobilienklausel aufzunehmen. Danach hätte zukünftig Italien das Besteuerungsrecht für Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Immobilienkapitalgesellschaften. Deutschland als Ansässigkeitsstaat würde das Besteuerungsrecht verlieren.

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen greift die deutsche Wegzugsbesteuerung.

Besonders tückisch sind Fälle, in denen sich die steuerliche Ansässigkeit schleichend verlagert, zum Beispiel durch die zeitlich zunehmende Nutzung eines Ferienhauses im Ausland. Durch solche „unbemerkten“ Umzüge kann die Wegzugsbesteuerung ausgelöst werden. Schließlich greift die Wegzugsteuer auch, wenn Anteile an eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person unentgeltlich übertragen werden. Auch hierdurch verliert Deutschland das Besteuerungsrecht für die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven.

Beispiel Der in den USA lebende Sohn S erbt von seinem Vater V den 50-prozentigen Gesellschaftsanteil an der deutschen V-GmbH. Neben der Erfassung bei der Erbschaftsteuer entsteht am Todestag Einkommensteuer auf die in dem Anteil enthaltenen stillen Reserven.

Verlegung des Geschäfts­leitungssitzes vermeiden

Beim Umzug von Geschäftsführern ist zudem darauf zu achten, dass dieser nicht mit der Verlegung des Orts der Geschäftsleitung einhergeht. Denn hierdurch wird auch für die Gesellschaft die unbeschränkte Steuerpflicht im Ausland begründet, was auf Ebene der Gesellschaft zur steuerlichen Erfassung der in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven (Entstrickung) in Deutschland führen kann.

Einzelunternehmen

Mit einem Wegzug verbundene steuerliche Folgen gelten entgegen einer weitverbreiteten Ansicht nicht nur für Steuerpflichtige mit Anteilen an Kapitalgesellschaften. Auch bei Einzelunternehmern (zum Beispiel Influencern), Personengesellschaftern oder Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften kann der Wegzug steuerliche Folgen auslösen. Allen Fällen ist gemein, dass sie zu einer sogenannten Abschlussbesteuerung im Inland führen. Das heißt, die in den betroffenen Vermögenswerten enthaltenen stillen Reserven werden einer fiktiven Veräußerungsgewinnbesteuerung unterworfen.

Beispiel Einzelunternehmer A verlegt seine Tätigkeit vollständig von Berlin nach Luzern (Schweiz).

Durch den Wegzug wird das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs beschränkt. Dies steht einer Aufgabe des Gewerbebetriebs gleich. Die stillen Reserven einschließlich eines etwaigen Firmenwerts sind zu besteuern.

Zuzug

Bei grenzüberschreitenden Umzügen wird der Fokus regelmäßig auf den Wegzugsstaat gelegt. Mit den steuerlichen Rahmenbedingungen im Zuzugsstaat befassen sich Steuerpflichtige oftmals erst nach ihrer Ankunft. Dadurch bleiben Gestaltungsmöglichkeiten ungenutzt, insbesondere für Personen, die Vermögenswerte mit hohen Wertsteigerungen „im Gepäck“ haben.

Fazit Bei Umzügen ist eine qualifizierte steuerliche Beratung sowohl aus Sicht des Wegzugs- als auch des Zuzugsstaats unabdingbar. Nur wer sich frühzeitig – vor dem Umzug – darum kümmert, kann die Besteuerung auf das erforderliche Maß begrenzen. •

© Stephan Pramme