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Raus aus dem Dilemma – Mandantenzeitschrift tatort:steuern

Ratgeber

Raus aus dem Dilemma

In vielen Situationen unseres Lebens begegnen uns diese Sätze: „Ich habe ein Dilemma!“ oder „Ich stecke in einem Dilemma!“. Doch so dramatisch, wie es klingt, ist die Lage in der Regel gar nicht. Eine Lösung ist meist sehr schnell gefunden.

Das Wort Dilemma stammt aus dem Griechischen und beschreibt den Zwang, zwischen zwei unerwünschten oder eben zwei gleichermaßen erwünschten Möglichkeiten wählen zu müssen. Glücklicherweise ist jedes Dilemma nur eine „Konstruktion“, die wir selbst geschaffen haben und damit auch jederzeit umkonstruieren können.

Im Coaching wird dies die Umformung des Dilemmas in ein Tetralemma genannt. Dies geschieht, indem wir zwei weitere Wahlmöglichkeiten hinzufügen: Zu „das eine“ oder „das andere“ betrachten wir „beides“ oder „keins von beiden“ als zusätzliche Optionen. Und damit blicken wir auf die gleiche Situation, die uns vorher scheinbar ins Dilemma geführt hat. Aber sind wir tatsächlich in dieses Dilemma geführt worden? Nein, das waren wir selbst, weil wir weitere Wahlmöglichkeiten – warum auch immer – ausgeschlossen haben.

Hier einmal das Tetralemma im Bild dargestellt:

Wo es zuvor nur das „Entweder-oder“ gab, und damit sehr wenige Wahlmöglichkeiten, wird dies durch die Erweiterung in das Tetralemma sehr viel komplexer. Neben den oben dargestellten vier Positionen „das eine, das andere, sowohl als auch sowie weder noch“, begegnet uns in der Coaching-Arbeit immer wieder eine fünfte Position: Sobald Menschen ihr Dilemma als Konstrukt erkennen und erweitern, entsteht eine neue Freiheit im Denken, die häufig zu Überraschungen führt. Mit der Erlaubnis, das Dilemma zu verlassen und den neuen Handlungsoptionen, die sich daraus ergeben können, werden Menschen häufig sehr kreativ. Sie entdecken weitere Möglichkeiten, die noch ganz andere Ideen und Impulse ins System bringen.

Ob im eigenen Leben oder als Führungskraft: Wir werden staunen, wie unser Dilemma sich in Luft auslöst und Lösungen entstehen. Ein kleines Beispiel aus dem Alltag:

Mit meinen Kindern stehe ich vor der Eisdiele und sage: „Jedes Kind darf sich entweder eine Kugel Vanille oder Schokolade aussuchen“. Meine Kinder überlegen. Ein Kind fragt: „Darf ich auch beides bekommen“? Na klar, warum nicht. Ein anderes Kind fragt: „Darf ich stattdessen eine Kugel Melone haben“? Na klar. Und mein Sohn, der leider kein Eis mag, schielt hinüber zum Geschäft nebenan und fragt: „Kann ich stattdessen einen Döner bekommen?“

Der Coach in mir lacht, hatte ich doch ein Dilemma konstruiert, aber glücklicherweise Kinder, die darauf nicht eingestiegen sind. Probieren Sie es aus: raus aus dem Dilemma, hinein ins Tetralemma!

Volker Tepp arbeitet seit dem Jahr 2000 als Coach, Supervisor und Berater. Er ist examinierter Theologe und Diplom-Pädagoge und Mitglied in verschiedenen Beratungs-, Coaching- und Supervisionsfachverbänden und war von 2009 bis 2022 Vorstandsmitglied der EASC – European Association for Supervision and Coaching.

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